Begriff
Wie würden Sie den Begriff "mind map" übersetzen? Gedankenlandkarte? Gedächtniskarte? Gehirnführer? Geistplan? Da sich "mind" nicht mit einem einzigen Wort übersetzen lässt, hat sich in Deutschland die englische Bezeichnung eingebürgert.
Sowohl der Begriff als auch die Methode "mind mapping" wurde in den 70er Jahren dieses Jahrhunderts von dem Engländer Tony Buzan geprägt. Er machte sich die neueren Erkenntnisse der Gehirnforschung über die zwei unterschiedlichen Denkmodi des Gehirns zunutze. Daraus entwickelte er eine Arbeits- und Darstellungsmethode, die gleichermaßen für die rechte wie auch für die linke Hirnhemisphäre schmackhaft ist, indem sie sprachlich-logisches Denken mit intuitiv-bildhaftem Denken verbindet.
Geschichte der Bildschrift
Die Vorteile des Denkens in Bildern waren bereits den alten Griechen bekannt. Der Rhetoriker Simonides pflegte um 500 v. Chr. eine Gedächtniskunst, die Mnemotechnik genannt wird. Dabei werden Inhalte einer Rede in Vorstellungsbilder gekleidet, die an verschiedenen Stellen im Vortragsraum "aufgehängt" werden. Das Ablesen dieser Bilder ermöglicht einen stundenlangen Vortrag ohne Manuskript.
Auch im Mittelalter beschäftigte man sich mit Methoden der Gedankenstrukturierung. Der Philosoph Ramon Llull verband Wort und Bild und stellte seine Gedanken in einem "Wissensbaum" dar, der Ähnlichkeit mit den heute noch gebräuchlichen Stammbäumen hat und ein Vorläufer der heutigen mind-maps sein könnte (vgl. Eipper 1998, 6; Kirckhoff 1994, XIII f.).
Als Gutenberg im 15. Jahrhundert den Buchdruck erfand, nahm die Nutzung von Bildern und Symbolen als Gedankenstütze und -ausdruck ab zugunsten der alphabetischen Schrift. Rationales und logisches Denken gewannen die Oberhand.
Die Bilderschrift ist allerdings nicht ausgestorben. Eipper (1998, 9f) erinnert an die Comics (seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts) und betont die Wichtigkeit des Bilds zur Verdeutlichung abstrakter Begriffe. So sind Lehr- und Fachbücher ohne die visuelle Unterstützung durch Abbildungen heute undenkbar.
2.5.2 Wie funktioniert Mind Mapping? - Grundregeln und Wirkungsweisen
Wann haben Sie zum letzten Mal anders geschrieben oder gelesen, als Sie es aufgrund Ihrer Erziehung gewohnt sind: von links oben nach rechts unten, in einer durchgängigen Linie auf einem A4-Blatt hochkannt? Noch nie? Kein Wunder, dass Sie manchmal Schwierigkeiten haben, Ihre Gedanken "auf Reihe" zu bekommen... Versuchen Sie es mal anders! (in Anlehnung an Beyer 1993, 8 ff; Eipper 1998, 12 ff).
Das Blatt im Querformat, oder: der erste Schritt zum Querdenken
Mensch verwende unliniertes Papier, der Größe sind keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist das Querformat, denn es beugt durch die andere grafische Raumaufteilung dem linkshemisphärischen, linearen Denken vor, das durch das Hochkantformat angesprochen wird. Die hierarchische Struktur "Oben-Unten" wird aufgehoben, und die Aufzeichnungen werden eher als Bild denn als Text wahrgenommen, was der rechten Hemisphäre sehr entgegenkommt.
Abbildung 2.5.1: Blattaufteilung (aus: Eipper 1998, 14)
Das zentrale Thema ins Zentrum
Der Mittelpunkt des Blatts ist der Brennpunkt. Was da steht, verlieren Sie nicht aus den Augen; Ihre Gedanken kreisen um Ihre zentrale Fragestellung/These. Wichtig ist eine knappe, schlagwortartige Formulierung, die hinreichend aussagekräftig formuliert ist. So macht es einen Unterschied, ob Sie z. B. allgemein über des Thema "Regionalplanung" referieren oder ob Sie spezieller "Vorteile der endogenen Regionalentwicklung" untersuchen wollen. Geben Sie Ihrem Thema eine Fassung, indem Sie es einkreisen.
Die zugehörigen Gedanken als Schlüsselwörter auf Äste
Abbildung 2.5.2: Zentrum und Äste (aus: KIRCKHOFF 1994, 5)
Mind maps basieren nicht auf ganzen Sätzen oder Teilsätzen, sondern auf Stichworten, sog. Schlüsselworten. Diese haben den Vorteil, dass sie dazu anregen, Assoziationen, ja ganze Assoziationsketten zu erzeugen, indem Eindrücke, Gefühle, Ideen miteinander verknüpft werden. Dabei ist eine aussagekräftige Wortwahl wichtig: die Substantive "Grünland-Mahd-Vertrag" rufen wohl mehr Bilder hervor als "ein - leicht - und". Diese assoziative Fähigkeit unserer rechten Hirnhemisphäre macht ein komplettes Ausformulieren einzelner Sachverhalte überflüssig.
Die dem zentralen Thema inhaltlich zugehörigen/untergeordneten Schlüsselwörter werden auf Linien geschrieben, die sich für weitere Unterbegriffe immer weiter verästeln können. Die Struktur eines Mind Maps ist dadurch einem Baum sehr ähnlich.
Abbildung 2.5.3: Baumstruktur (aus: Kirckhoff 1994, 6)
Wichtig ist dabei, das Bedürfnis der linken Hemisphäre nach Ordnung, Übersichtlichkeit und effizienter Raumnutzung zu berücksichtigen, indem z. B. die Linien lückenlos aneinander anschließen und nicht überflüssig lang sind. Das lässt sich durch eine Art "Bogentechnik" erreichen und indem ein klares Schriftbild angestrebt wird.
Die Vorteile dieser Schreibweise gegenüber der "traditionellen" Zeilenschrift sind folgende:
Die Verwendung von Schlüsselwörtern ermöglicht schnelles und effizientes Arbeiten.
Thematisch sprunghaftes Arbeiten wird erleichtert; ein neuer Gedanke und damit verknüpfte Assoziationen können sofort notiert werden, ohne dass erst eine linear-logische Abfolge hergestellt werden muss. Bis Sie nämlich überlegt haben, wo eine neuer Aspekt einzuordnen ist, haben Sie einen anderen Gedanken schon wieder vergessen.
Mind Maps visualisieren Gedankennetzwerke. Querbezüge sind schneller und leichter erfassbar als in einer linearen Gliederung.
Die offene Struktur eines solchen Netzwerks ist jederzeit erweiterbar.
Abbildung 2.5.4: Falsche Technik (aus: Eipper 1998, 16) und richtige Bogentechnik (aus: Eipper 1998, 17)
Bilder & Symbole, Farbverwendung
Bilder, Symbole und Farbe aktivieren die rechte Hemisphäre und vermitteln ohne Worte komplexe Inhalte. Zum Beispiel erleichtert die Verwendung von Piktogrammen im öffentlichen Raum die Orientierung. Die Kombination von Wort und Bild erhöht außerdem durch das Ansprechen mehrerer Eingangskanäle des Gehirns die Einprägsamkeit von Inhalten. Der Entwicklung eigener Symbole sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Farben können einerseits eingesetzt werden, um Zuordnungen zu verdeutlichen (inhaltlich, zeitlich, nach Wichtigkeit usw.). Andererseits rufen Farben Assoziationen und Empfindungen hervor, was unterstützend bei der Erarbeitung bzw. Vermittlung von Inhalten eingesetzt werden kann. In der Farbpsychologie gilt Rot als Signalfarbe, die in einem Mind Map eingesetzt werden kann, um z. B. Konflikte zu verdeutlichen.
2.5.3 Einsatzmöglichkeiten von Mind Maps
Mind maps können sowohl als strukturierende Notiztechnik (Aufarbeiten von Bestehendem/Bekannten) als auch als Kreativitätstechnik (Entwickeln neuer Gedanken) eingesetzt werden.
Strukturierung, z. B.:
Informationsverarbeitung/Lernen: z.B. Fachbuchauswertung, Vorlesungsmitschrift
Redemanuskript
(Projekt-) Sitzungsprotokoll
Visualisierung von Inhalten zwecks Präsentation
Ideenentwicklung, z. B.:
Themenentwicklung und Stoffsammlung für Referate/Vorträge
Entwickeln von Problemlösungsstrategien
Projektplanung
Mind Maps lassen sich auch in Kombination mit anderen Kreativitätstechniken einsetzen, z. B. zur Sortierung von Brainstorming-Ergebnissen. Ein zweistufiges Mind Mapping könnte z. B., wie in Abbildung 2.5.5 dargestellt, aussehen:
Abbildung 2.5.5: 1. Gedankensammlung, 2. Strukturierung (Eipper 1998, 22)